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REMEMBERING 2015 am Podium

Im Rahmen des Journalismusfestes luden wir am Samstag, dem 17. Mai 2025, um 14:30 Uhr zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Flucht + Migration : Medien =“ ein. Auf dem Podium trafen sich Helga Ramsey-Kurz (Anglistin und Moderatorin), Barbara Tóth (Historikerin und Falter-Journalistin) sowie Lukas Gahleitner-Gertz (Jurist und Sprecher der Asylkoordination Österreich).

Die Gesprächspartner:innen erinnerten sich an das kurze Aufflammen der sogenannten Willkommenskultur, einen Moment kollektiver Solidarität, der jedoch schnell von neuen Grenzziehungen, Angstnarrativen und medialen Verzerrungen abgelöst wurde. „Es war ein kurzes Aufflackern […]. 2015 war eine Unterbrechung, weil es auf einmal wieder eine Situation totaler staatlicher Überforderung gab – und die Zivilgesellschaft sprang ein.“  (Lukas Gahleitner-Gertz).
Barbara Tóth beschrieb eindrücklich die Ambivalenz im journalistischen Umgang mit diesem historischen Moment, die sich aus persönlicher Betroffenheit, politischem Druck und redaktionellen Routinen ergibt. Besonders die mediale Reduktion komplexer Realitäten auf politisch verwertbare Narrative war und ist für sie problematisch: „Politisch und medial war die Reaktion zunächst zweigeteilt. Auf der einen Seite dominierten Begriffe wie ‚Willkommenskultur‘ (besonders stark in Deutschland), auf der anderen Seite entstanden sofort auch Ängste, Ressentiments und Polarisierung, die insbesondere durch rechte Medien und populistische Parteien befeuert wurden. (...) Die menschliche Dimension, die Perspektive der Flüchtenden, aber auch der Helfenden, wurde medial kaum vermittelt.“

Tóth plädierte deshalb für einen Journalismus, der sich nicht von kalkulierter politischer Aufregung treiben lässt, sondern Hintergründe recherchiert, internationale Vergleiche zieht und gesellschaftliche Lösungen aufzeigt. Gahleitner-Gertz, der in seiner täglichen Arbeit in direktem Kontakt mit Medien, geflüchteten Menschen und Behörden steht, betonte den massiven Einfluss von Politik und Verwaltung auf die öffentliche Wahrnehmung, insbesondere durch die gezielte Auswahl und Interpretation von Zahlen. Er sagte: „Wir haben in Österreich so viel Meinung und so wenig Wissen zum Thema Asyl wie in kaum einem anderen Bereich. (...) Ich setze mich wahnsinnig viel mit diesen Zahlen und Daten auseinander, weil ich glaube, dass wir als Gesellschaft ein wesentliches Problem in diesem Bereich haben – vielleicht auch in anderen Bereichen. Und zwar, dass wir uns über den Sachverhalt klar werden, also dass man politisch streiten kann: Welche Maßnahmen wollen wir? Welche Ziele wollen wir erreichen? Darüber kann man trefflich streiten. Aber zuerst muss ich wissen: Was ist die Situation? Was ist der Sachverhalt?”  Lukas Gahleitner-Gertz

Die Diskussion wurde von zahlreichen Besucherinnen und Besuchern mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und zeigte eindrucksvoll, wie wichtig faktenbasierte Information und anteilnehmende Berichterstattung sind. Nur so sei ein sinnvoller Diskurs möglich – und laut Einschätzung der Expert:innen -  durchaus machbar. Sachverhalte klar und transparent darzustellen, Probleme zu identifizieren und an Lösungen zu arbeiten, das scheint in den Bereichen Asyl und Migration jedoch politisch nicht oberste Priorität zu haben. Stimmung machen, das schon eher.

 


Foto: Alireza Zarkesh für ZeMIT

Am Podium v. l. Helga Ramsey-Kurz, Lukas Gahleitner-Gertz, Barbara Tóth

Am Podium v. l. Helga Ramsey-Kurz, Lukas Gahleitner-Gertz, Barbara Tóth